Tarifbindung – Allgemeinverbindlichkeit (AVE)
Der HDE meldet, dass nach den aktuellen Jahreszahlen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) sich der Anteil der Beschäftigten im Einzelhandel bei einem tarifgebundenen Arbeitgeber im Jahr 2024 auf 23 Prozent belief. Im Vorjahresvergleich ist der Wert damit laut IAB-Umfrage auf niedrigem Niveau konstant geblieben. In der Gesamtwirtschaft waren im Jahr 2024 nach IAB-Erhebung noch 49 Prozent der Beschäftigten in einem tarifgebundenen Unternehmen tätig. Im Vorjahresvergleich entspricht dies einem leichten Rückgang (2023: 50 Prozent).
Die rückläufige Tarifbindung hat vielerlei Ursachen. Die bisherigen Regelungen sind zum Teil nicht mehr zeitgemäß, aber auch eine übermäßige staatliche Regulierung verringert die Gestaltungsspielräume für die Tarifvertragsparteien.
Trotz der seit Jahren branchenübergreifend leicht rückläufigen Tarifbindung, prägen auch heute noch Tarifverträge indirekt eine Vielzahl der Arbeitsverhältnisse, z.B. durch Inbezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen.
Gewerkschaften sehen als Möglichkeit die Tarifbindung zu erhöhen, die Allgemeinverbindlichkeit (AVE) an. Ein für allgemeinverbindlich erklärter Tarifvertrag wirkt wie eine gesetzliche Regelung.
Dazu muss man aber auch bedenken, dass es den Unternehmen frei steht, ob Sie sich in eine Tarifbindung begeben wollen, oder nicht. Dieses Recht, auch als Koalitionsfreiheit bezeichnet, ist durch das Grundgesetz, als höchstes Recht in Deutschland, geschützt.
Artikel 9, Absatz 3 Grundgesetz regelt:
„Das Recht, zur Wahrung und Förderung der Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen Vereinigungen zu bilden, ist für jedermann und für alle Berufe gewährleistet. Abreden, die dieses Recht einschränken oder zu behindern suchen, sind nichtig, hierauf gerichtete Maßnahmen sind rechtswidrig.“
Es gibt die positive Koalitionsfreiheit, also das Recht Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften beizutreten, und die negative Koalitionsfreiheit, somit das Recht, Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften fernzubleiben.
Dieser Schutz wird durch die Möglichkeit einen Tarifvertrag für allgemeinverbindlich zu erklären, durchbrochen.
Nach § 5 Absatz 4 des Tarifvertragsgesetzes gilt: „Mit der Allgemeinverbindlicherklärung erfassen die Rechtsnormen des Tarifvertrags in seinem Geltungsbereich auch die bisher nicht tarifgebundenen Arbeitgeber und Arbeitnehmer.“
Wir als Vertreter der Arbeitgeber sehen dieses Instrument nicht als probates Mittel an, die Tarifbindung zu steigern.
Denn eine Bindung sollte auf dem freien Willen beruhen sich unter einem Tarifwerk einzufinden. Dazu muss der Tarif zeitgemäß sein, und sowohl von Arbeitnehmer- als auch Arbeitgeberseite akzeptiert werden.
Die im Augenblick vorhandenen Tarifverträge im Einzelhandel, insbesondere die Mantel-, Gehalts- und Lohntarifverträge, rühren in ihrem Ursprung aus Zeiten her, in denen der Handel völlig anders war, als heute. Es gab keinen Onlinehandel, ebenso fehlten Berufsbilder im IT-Bereich (da es einen solchen einfach noch nicht gab). Aber auch das neue Berufsbild des E-Commerce Kaufmanns (m/w/d), war noch nicht bekannt. Es finden sich aber Berufsbilder als Regelbeispiele in den Tarifen, die es nicht mehr gibt (z.B. Telefonist/in mit mehr als 3 zu bedienenden Amtsanschlüssen, Maschinenschreiber, Fahrstuhlführer/in, Hilfen in Milchbars, Heizer/in, Annonceusen, Kaltmamsellen).
Auch waren die Öffnungszeiten damals andere, und die Regelungen bilden die heutige Arbeitswelt nicht mehr in Gänze ab.
Aufgrund der veralteten Regelungen stoßen diese Tarife nicht mehr auf die gewünschte breite Akzeptanz. Daher sind, bevor man über eine Allgemeinverbindlichkeit überhaupt nachdenken kann, zeitgemäße tarifliche Regelungen notwendig, in denen sich sowohl Arbeitgeber, aber auch die Arbeitnehmer wiederfinden können, gleich welcher Sparte und Größe.
Im Handel wird seit vielen Jahren versucht mit dem Sozialpartner, in unserem Falle ver.di, eine gemeinsame Lösung zu finden. Leider sind diese Versuche bis heute nicht von Erfolg gekrönt.
Tarifträger
Der Handelsverband Südwest ist Tarifträger für das Saarland, und schließt für das Saarland, wie der Handelsverband Rheinland-Pfalz für Rheinland-Pfalz, die Tarife für den Einzelhandel ab.
In beiden Verbänden gibt es jeweils einen tarifpolitischen Beirat, in dem tarifgebundene Mitgliedsunternehmen organisiert sind. Diese sind gemeinsam mit dem Tarifgeschäftsführer für die Verhandlungsführung mit der Gewerkschaft zuständig. Beide Verbände sind auch im tarifpolitischen Ausschuss des HDE vertreten. Im Rahmen dieses Ausschuss werden Tarifverhandlungen vorbereitet und koordiniert.
Eine Allgemeinverbindlichkeit der Manteltarifverträge, oder der Lohn- und Gehaltstarifverträge in Rheinland-Pfalz und dem Saarland, besteht augenblicklich nicht.
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales führt ein Verzeichnis der für allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträge, sowie ein Tarifvertragsregister.
In Manteltarifverträgen werden allgemeine Fragen, wie zum Beispiel Urlaub, Arbeitszeiten, oder auch Regelungen zur Eingruppierung in die Lohn- und Gehaltstarife geregelt.
In den Lohn- und Gehaltstarifen findet dann eine detaillierte Beschreibung von Tätigkeiten, und die daran dann vorzunehmende Eingruppierung in die jeweilige Gruppe, statt.
Darüber hinaus gibt es oftmals weitere tarifliche Regelungen, wie zum Beispiel für Sonderzahlungen, und ähnlichem.
Zuletzt wurde im Bereich des Lohn- und Gehaltstarifvertrages für beide Bundesländer ein Abschluss für die Zeit vom 01.05.2023 bis ins Jahr 2026 geschlossen. Die nächste Tarifrunde wird voraussichtlich 2026 beginnen.